Kritischer Blick auf die Juventus Football Club S.p.A.

15/03/2023

Mitte März 2016 spielt der SC Freiburg in der zweiten Bundesliga gegen den heutigen Regionalligisten FSV Frankfurt – Endstand 3:1. Mitte März 2023, sieben Jahre später, hat sich so einiges geändert. Pflichtspielgegner ist niemand geringeres als Juventus Turin.

Es gäbe viel zu schreiben über Juve, die alte Dame, den sechsunddreissigfachen italienischen Meister. Ein großer Verein, den wir alle seit Kindesalter kennen. Juve hat in der Vergangenheit nicht nur für viele Titel, sondern auch für viele Skandale gesorgt und einen nicht zu vernachlässigen Beitrag geleistet, dass sich der Profifußball zum Schlechten entwickelt. Wir wollen daher einen kritischen Blick auf die jüngere Geschichte des Juventus Football Club S.p.A. werfen. S.p.A. ist die italienische Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Juve ist an der italienischen Börse gelistet, gehört mehrheitlich aber einem Unternehmen der Familie Agnelli, die auch an vielen anderen Unternehmen, wie dem Mutterkonzern von u.a. Fiat, Opel und Jeep (Juves Hauptsponsor) oder italienischen Medienkonzernen, beteiligt ist. Unsere heutige Hauptfigur für den kurzen Ausflug in Juves unrühmliche Geschichte ist Andrea Agnelli. Er war von 2010 bis Ende 2022 Juves Präsident. Kleiner Spoiler: Der Grund, warum er das heute nicht mehr ist, hängt mit dem jüngsten Skandal der Juve-Geschichte zusammen.

Juve als Kämpfer für die sogenannten Top-Clubs

Als Juve-Präsident war Agnelli seit 2017 auch Vorsitzender der European Club Association (ECA). Die ECA ist die Interessensvertretung großer europäischer Vereine und hat die letzten zwanzig Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass der europäische Fußball an Spannung verloren hat. Agnelli und die ECA haben die UEFA immer wieder erfolgreich unter Druck gesetzt und ihre Ziele waren immer die Gleichen: Mehr Geld mit der Champions League einnehmen (z.B. durch noch mehr Spiele), damit die Vereine, die an der Champions League teilnehmen, mehr Geld bekommen und die Geldverteilung anschließend so gestalten, dass vor allem die sogenannten Top-Clubs überproportional profitieren. Damit waren sie leider sehr erfolgreich. Während mit der Champions League immer mehr Geld eingenommen wird, bekommen die nationalen Ligen davon prozentual immer weniger. Auch innerhalb der Champions League haben die Top-Clubs erfolgreich dafür gesorgt, dass sie mehr Geld bekommen. Bei der Geldverteilung zählt mittlerweile nicht mehr nur der aktuelle sportliche Erfolg, sondern auch andere Faktoren, wie vergangene Titel oder die Ligazugehörigkeit. Ein Beispiel: 2018/19 erreichten Ajax und Barcelona beide das CL-Halbfinale. Während Ajax nur knapp 79 Mio. € bekam, gab es für Barcelona satte 118 Mio. €.

Es gibt unzählige weitere Beispiele, wie Top-Clubs wie Juve und die ECA unter Führung von Agnelli die Integrität des europäischen Wettbewerbs zerstört haben. Das Ergebnis: In den nationalen Ligen herrscht Eintönigkeit – ob Bayern in Deutschland, Juve in Italien, PSG in Frankreich – die überproportional hohen Gelder aus den UEFA-Wettbewerben sorgen für einen wirtschaftlich fast uneinholbaren Vorsprung. Aber auch innerhalb Europas verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten der fünf großen Ligen (DE, FR, ES, IT und UK). Andere Länder haben das Nachsehen. Während es in den 1970ern noch im Schnitt 4,6 Mannschaften aus Ländern außerhalb der Top-5 Ligen in die Runde der besten 16 Teams schafften, waren es in den 2010er nur noch 0,9.

Sogenannte Top-Clubs schreiben die Regeln im europäischen Fußball mittlerweile fast selbst. Der Einfluss von Vereinen wie Juve und der ECA ist innerhalb der UEFA enorm. Es profitieren die Großen, es verlieren die Kleinen und alle, die sich einen spannenden und ausgeglichenen Wettbewerb wünschen. Juve war ein maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung.

Juve und die Super League

Mit dem Ziel, möglichst viel für die Top-Clubs herauszuholen, verhandelte Agnelli für die ECA auch die letzte Reform der europäischen Wettbewerbe mit der UEFA. Eine Reform, die von nationalen und europäischen Fanverbänden scharf kritisiert wurde. Im Geheimen arbeiteten Agnelli und Juve damals aber schon längst an einem ganz anderen Plan: der Super League. Ein beispielloser Bruch mit der UEFA und den grundlegenden Werten des europäischen Fußballs. Juve und elf andere Top-Clubs wollten ihren eigenen Wettbewerb erschaffen. Das Ziel: Mehr Geld und keine (aus ihrer Sicht nervige und risikoreiche) sportliche Qualifikation über die nationale Liga. Nur 48 Stunden nach dem Gang an die Öffentlichkeit war die Idee schon wieder Geschichte: Nach massivem Widerstand von Fans, anderen Vereinen und der UEFA sagten sich zuerst die englischen Clubs und anschließend Inter, AC und Atletico Madrid von der Idee der Super League los. Nur Juve, Real und Barca bleiben bis heute von der Idee überzeugt. Immer wieder betont Agnelli auch heute noch in Interviews, dass er mit der Super League die Fans wieder in den Mittelpunkt stellen möchte und dass es die Super League dringend braucht, um das wirtschaftlich kaputte System Profifußball zu retten. Letzteres ist übrigens kein Wunder, denn nachhaltiges Wirtschaften kann nicht zu Agnellis Managementstärken gezählt werden. Im September verkündete der Verein ein Rekordverlust von über 250 Mio. €.

Juve und die gefälschten Bilanzen

Kommen wir zum aktuellsten Skandal rund um Juve und dem Grund, warum Agnelli mittlerweile nicht mehr Präsident des Clubs ist (auch wenn seine Familie als Mehrheitseigentümer natürlich immer noch das Sagen hat). Ende letzten Jahres hat Juve ein Triple der besonderen Art geholt: die italienische Börsenaufsicht, die Turiner Staatsanwaltschaft und die UEFA ermitteln alle drei gegen den Verein bzw. gegen das Ende November zurückgetretene Management um Agnelli. Der Vorwurf: Bilanzmanipulation. Das Management soll die Marktwerte seiner Profis bewusst falsch dargestellt haben, um die Bilanz um über 100 Mio. € zu schönen. Auch sollen Spieler, die öffentlich auf ein Teil ihres Gehaltes während der Corona-Pandemie verzichtet haben, doch heimlich ausgezahlt worden sein. In der Liga wurden sie dafür bereits mit 15 Punkten Abzug bestraft.

Und auch wir SC-Fans wissen spätestens seit der Stornierung tausender Tickets für unser Auswärtsspiel in Turin, was für ein erbärmlicher Verein Juve ist. Ein Verein, besser gesagt ein Wirtschaftsunternehmen, das nur auf den eigenen Profit aus ist. Ein Unternehmen, das kein Interesse an einem fairen sportlichen Wettbewerb hat. Ein Verein, der wie wenig andere für den durchkommerzialisierten Profifußball steht, den wir verabscheuen.

Juve Merda!